Leseproben

Percival von Thalburg

Es ist wieder Zeit für eine weitere Leseprobe. Wie ich es versprochen habe, stelle ich euch die dritte Hauptfigur aus meinem Roman “Die Krone von Atlantis” vor.

Dieses Mal geht es um Percy. Er heißt mit vollem Namen Percival Arthur von Thalburg, ist 19 Jahre alt und begleitet die Gräfin, die ihr bereits im Prolog kennen lernen durftet. Welche Beziehung er zu Gräfin Eleana hat und was die beiden eigentlich in Hamburg treiben, erfahrt ihr auf den kommenden Seiten. Wer es danach nicht abwarten kann, zu erfahren, wie es weiter geht, kann das Buch gerne bestellen. Viel Spaß!

Auszug aus dem 2. Kapitel, Seiten 27 – 31:

„Abgewiesen von Zeus stürzte Poseidon vom Himmel ins Meer. Er schwang sich zum Herrscher über Wellen und Ozean auf und regierte die Meere mit gerechter, aber harter Hand. Nach Jahren der Einsamkeit fasste er den Entschluss, jedes Eiland in seinem Reich zu besuchen. Doch wo er auch hinkam, scheuten die Menschen seinen Anblick und verließen aus Furcht vor dem Göttlichen ihre Häuser. So geschah es auch auf einem verlassenen Inselreich vor den Säulen des Herakles. Die Hirten und Bauern, die dort lebten, flüchteten voller Angst, als er sich ihnen näherte. Allein ein schönes Mädchen trat dem göttlichen Licht freundlich entgegen. Sie fürchtete sich nicht. Da nahm Poseidon das Mädchen zur Braut und alle, die von ihrem Blut waren, waren ihnen in Unendlichkeit verbunden.“

Percival von Thalburg las den deutschen Text ohne jeden Akzent vor. Nachdem er geendet hatte, sah er die Frau am anderen Ende des Tisches aus dem Augenwinkel an. Er schnalzte mit der Zunge.

„Wirklich, Eleana?“, fragte er mürrisch.

Gräfin Eleana setzte mit einer eleganten Bewegung ihre Kaffeetasse auf den Unterteller zurück und erwiderte Percys Blick. Anstatt zu antworten, hob sie die Augenbrauen.

„Du glaubst wirklich, dass die Aufzeichnungen dieses alten Kauzes den richtigen Mythos beschreiben? Wenn du mich fragst, hat der einfach nur eine griechische Sage abgeschrieben und seinen eigenen Senf hinzugegeben.“

Eleana schüttelte augenrollend den Kopf, stand auf und ging um den langen Esstisch herum. Sie stellte sich hinter Percy und warf über seine Schulter hinweg einen Blick in das vergilbte Notizbuch, das er vor sich aufgeschlagen hatte.

„Siegmund Wiedeking war nicht nur ein alter Kauz“, sagte sie belehrend. „Er war einer der meist gereisten Menschen im frühen neunzehnten Jahrhundert. Er gilt als einer der ersten Archäologen und war ein wahrhafter Entdecker. Nachdem er sein Geld mit der Handelsschifffahrt gemacht hatte, hat er sich später fast ausschließlich der Forschung gewidmet. Seine Expeditionen waren so weitläufig, dass sie fast das ganze Familienvermögen aufgebraucht haben. Er hat praktisch die ganze Welt gesehen. Und doch hat es ihn immer wieder in die Mittelmeerregion verschlagen. Jede zweite seiner Expeditionen führte dorthin.“

Percy seufzte. „Und die Lehrstunde beginnt“, neckte er.

Eleana knuffte ihren jungen Schützling in die Seite, der sich daraufhin ein Lächeln abringen konnte. „Das Notizbuch, das du in deinen Händen hältst, ist kurz vor seinem Tod entstanden. Auf seinen letzten Reisen ist er nur noch in die Ägäis und in das östliche Mittelmeer gefahren. Er glaubte, der größten Entdeckung der Menschheit auf der Spur zu sein.“

Percy drehte den Kopf, um Eleana ansehen zu können.

„Und was hat das mit dieser Sage zu tun?“

„Lies’ sie dir einmal genau durch. Fällt dir nichts auf?“

Percy ließ seine Augen nochmals über den kurzen Text in der geschwungenen Handschrift wandern. Ihm fuhr ein Schauer über den Rücken, als er verstand, worauf Eleana hinauswollte.

„Sie trat dem göttlichen Licht entgegen? Wieso schreibt er nicht einfach dem Gott?“

Eleana klopfte Percy zufrieden auf die Schulter und lächelte, als sie zu ihrem Platz am Frühstückstisch zurückging.

„Genau das habe ich mich auch gefragt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn Wiedeking nur die Geschichte von Poseidon und Kleito niederschreibt. Aus den Notizen geht aber hervor, dass ihm die Geschichte auf Santorin von mehreren Bewohnern übereinstimmend so erzählt worden ist.“

„Auf Santorin haben damals Menschen gelebt?“

„Nur ein paar Bauern. Sie erzählten sich diese Geschichte immer und immer wieder. Sie sprachen jedoch nicht von einer Sage. Sie haben wirklich geglaubt, dass es sich bei dieser Legende um eine wahre Geschichte handelt. Und sie berichteten einstimmig, wie eine junge Frau sich ohne Furcht dem göttlichen Licht näherte. Das finde ich sehr auffällig.“

Percy konnte nicht anders, als seiner Ziehmutter zuzustimmen. Er rief sich wieder ins Gedächtnis, warum er mit ihr nach Hamburg gekommen war.

„Hat dich das darauf gebracht, hier nach dem Anhänger zu suchen?“

Eleana nickte und streckte die Hand nach dem Notizbuch aus. Sie warf Percy einen missbilligenden Blick zu, als er es einfach quer über den Tisch schleuderte.

„Percy!“, schimpfte sie, als sie das kleine Büchlein gerade noch auffing, bevor es in der Marmelade landete.

Percy setzte sein charmantestes Grinsen auf. „Ich bin keine zwölf mehr. Was du mir jetzt an Manieren nicht beigebracht hast, lerne ich nicht mehr.“

Eleana schüttelte den Kopf, öffnete das Buch und blätterte darin.

„Wiedeking hat von seiner letzten Expedition nach Santorin einige Artefakte mit sich nach Hamburg gebracht, die die Einheimischen als Heiligtümer verehrt haben. Sie haben sie in ihren Kirchen aufbewahrt, weil sie der Meinung waren, dass Gott selbst die Gegenstände auf die Erde geschickt habe.“

Percy wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und lehnte sich über den Tisch, um ebenfalls in das Buch schauen zu können.

„Meinst du, Wiedeking hat die Bauern lieb gefragt, und daraufhin haben sie ihm ihre kostbarsten Schätze einfach so gegeben?“

Eleana antwortete darauf nicht, hob aber eine einzelne Augenbraue.

„Bei den meisten Gegenständen handelte es sich um wertlosen Trödel aus der Zeit der Antike. Allerdings bei einem Gegenstand lagen die Bauern gar nicht so falsch. Guck’ dir das an.“

Eleana zeigte auf eine Seite, auf der Wiedeking verschiedene Zeichnungen gemacht hatte. Unter den Statuen, Messern und Töpfen war ein Fundstück dabei, das sich von den anderen drastisch unterschied: ein dreieckiger Anhänger, der einen tropfenförmigen Stein fasste.

„Das ist er“, entfuhr es Percy.

„Ich sagte doch, Wiedeking war mehr als ein alter Kauz. Er war im Übrigen ein Verwandter der von Thalburgs.“

Percy presste die Lippen aufeinander. Er hasste es, wenn Eleana so beiläufig das Gespräch auf seine Familie lenken wollte. Er sprach nicht über sie. Er hatte es nie getan. Heute würde er nicht damit anfangen.

„Was hat er mit dem Anhänger gemacht?“ Percy sah seine Ziehmutter erneut an.

„Wiedeking hatte natürlich keine Ahnung, was er da mitgebracht hatte. Er hat den Schmuck seiner Frau geschenkt und der Anhänger wurde in den kommenden Jahrhunderten in der Familie weitervererbt.“

„Dann haben sie ihn noch?“

Eleana schüttelte traurig den Kopf. „Nein, die Familie Wiedeking ist vor einiger Zeit ausgestorben. Der Anhänger ist im Rahmen einer Versteigerung verkauft worden.“

Percy sah seine Ziehmutter erschrocken an, doch sie hatte den Blick für einen Moment traurig in die Ferne gerichtet. „Wieder eine alte Blutlinie, die verloren ist. Es gibt Dinge, die können niemals zurückkehren“, flüsterte sie.

„Das heißt, wir haben keine Ahnung, wo er jetzt ist?“

Eleana kehrte in die Gegenwart zurück. „Das würde ich nicht sagen.“ Sie grinste. „Ich habe ermittelt, wer damals bei der Versteigerung mitgeboten hat. Und ich habe den Schmuckhändler gefunden, der den Anhänger erstanden hat: ein Mann namens Friedrich Hansen. Während du gestern Abend unterwegs warst und den Hamburger Mädchen schöne Augen gemacht hast, habe ich ihm bereits einen Besuch abgestattet. Er bringt mir den Anhänger heute Morgen in sein Geschäft.“

Percy klatschte begeistert in die Hände. „Aber das ist ja großartig. Dann haben wir bald alles, was wir brauchen.“

Vielleicht haben wir bald alles“, mäßigte Eleana ihren Schützling. Sie nahm einen letzten Schluck aus ihrer Kaffeetasse und stand auf.

„Um wie viel Uhr macht das Geschäft auf?“, fragte Percy und sah auf seine Armbanduhr.

„Um neun. Ich muss mich beeilen“, sagte Eleana und durchquerte die fürstliche Suite des hanseatischen Luxushotels an der Alster. An einem Garderobenständer griff sie nach ihrem dunkelblauen Samtumhang, den sie sich mit einem geübten Handgriff über das schlichte, dennoch elegante dunkelblaue Kleid warf. Percy fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie es darauf anlegte, auszusehen, als käme sie aus einer anderen Zeit.

„Sehr gut. Ich komme mit“, rief er und sprang auf, um sich seine wesentlich unauffälligere blaue Jacke mit dem weißen Innenfutter anzuziehen.

Doch kaum hatte er sich seine Handschuhe übergestreift, legte Eleana ihrem Schützling eine Hand auf die Brust und stoppte ihn mitten in der Bewegung.

„Nein, ich gehe allein. Ich will den Juwelier nicht misstrauisch machen. Außerdem hast du einen Termin im Hafen. Unsere Lieferung ist da. Wir treffen uns hier wieder um vier Uhr. Verstanden?“

Percy neigte den Kopf und sah enttäuscht zur Seite.

Eleana ließ nicht locker. „Verstanden?“, hakte sie in deutlich strengerem Tonfall nach.

„Ja!“, antwortete Percy. Daraufhin nickte die Gräfin zufrieden, öffnete die Tür der Suite und trat gefolgt von ihrem Schützling auf den Flur hinaus.

Leseproben

Christopher Rider

So, hier kommt sie, meine neuste Leseprobe aus meinem Roman “Die Krone von Atlantis.” Wie versprochen, stelle ich euch in den nächsten drei Wochen meine drei Hauptcharaktere vor. Die kommende Woche ist Christpher Rider gewidmet. Er ist geheimnisvoll, skrupellos und hat einen Plan. Dafür braucht er die Kette, über die ihr bereits im Prolog gelesen habt. Um sie zu beschaffen, geht er über Leichen. Aber lest selbst! Und wenn ihr das ganze im Original lesen wollt, bestellt das Buch gerne hier.

Auszug aus dem 1. Kapitel, Seiten 13 bis 15:

Christopher Rider beachtete den toten Körper zu seinen Füßen gar nicht. Stattdessen starrte er angespannt auf das kleine Kärtchen in seiner Hand. Seine Augen verengten sich, als er die Handschrift entzifferte. Der Juwelier hatte den Namen falsch geschrieben. Auf der Karte stand „Gräfin Elana.“ Hinter dem Adelstitel hatte der alte Mann ein Fragezeichen vermerkt. Rider schnaubte amüsiert und warf einen zufriedenen Blick auf die Leiche von Friedrich Hansen. Dessen leblose Augen waren auf ihn gerichtet. Trotz des Fehlers im Namen bestand kein Zweifel: Sie war bei dem Juwelier gewesen. Und sie war bei dem alten Unglücksraben fündig geworden, sonst hätte sie keine Reservierung vornehmen lassen.

„Boss?“ Riders Augen wanderten zur Seite und sahen in das tumbe Gesicht eines großen, korpulenten Mannes.

„Und, Brutus?“, fragte Rider barsch.

„Der Alte hat die Wahrheit gesagt. Der Code stimmt. Wir sind drin.“

Riders linker Mundwinkel zuckte nach oben. Mit einem großen Schritt stieg er über den Toten hinweg. „Dann mal los!“ Mit diesen Worten verließ er das Arbeitszimmer der alten Hamburger Villa und trat in den Flur hinaus. Sein langer schwarzer Mantel bauschte sich hinter ihm auf, als er mit schnellen Schritten die Kellertreppe hinunterstieg. In dem feuchten und dunklen Gewölbe trat Rider durch eine schwere Metalltür, die mittlerweile offen stand, und fand sich im Inneren eines großen Tresors wieder.

„Sieht so aus, als wenn der alte Hansen seine kostbarsten Sachen ganz dicht bei sich haben wollte“, murmelte Rider und ließ seinen Blick durch den begehbaren Safe schweifen. An sämtlichen Wänden des Raumes fanden sich Regale, die bis unter die niedrige Decke reichten. Sie waren vollgestopft mit Kartons, Metallkassetten und kleinen Vitrinen, durch deren verstaubtes Glas vereinzelt Juwelen funkelten. Bilderrahmen ragten hier und da aus Kisten hervor. Das Holz eines Regals bog sich unter dem Gewicht der Teppiche, die darin gelagert waren. Hansen hatte über die Jahre seiner Tätigkeit hinweg mehr als nur alten Schmuck angehäuft. Rider vermutete, dass der Inhalt dieses Tresors allein ein Museum über die Geschichte der alten Hamburger Kaufmannsfamilien füllen konnte.

„Und? Ist es hier, Boss?“

Rider sah seinen zweiten Handlanger zu seiner Rechten an. Im Gegensatz zu Brutus war Jack, der eigentlich Hans Borchert hieß und Englisch mit schwerem Akzent sprach, ein schmächtiger, drahtiger Kerl mit ausgemergeltem Gesicht und blutunterlaufenen Augen.

„Kann ich noch nicht sagen. Verlass‘ den Raum, Jack“, sagte Rider. Er benutzte einen Tonfall, der Jack umgehend veranlasste, über die Türschwelle zu eilen. Er und Brutus standen nun beide hinter der geöffneten Tresortür und sahen gespannt auf ihren Anführer, der sich im Raum langsam um sich selbst drehte. Dabei untersuchte Rider die einzelnen Regale eines nach dem anderen. Schließlich holte er tief Luft, schloss die Augen und wurde für einen Moment vollkommen still. Schlagartig riss er die Augen auf, wirbelte herum und erreichte eines der Regale mit einem einzigen, zielgerichteten Schritt. Ohne lange zu überlegen, packte er die Kisten darin mit beiden Händen und warf sie mit Schwung zu Boden. Ein heftiges Scheppern ertönte, als Glas zerbrach. Jack und Brutus zuckten zusammen, doch Rider scherte sich nicht um die Zerstörung, die er anrichtete. Stattdessen zog er kraftvoll einen großen Bilderrahmen aus seinem Fach und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Das Holz zerbarst. Schließlich hielt Rider für einen Augenblick inne. Mit einem Mal streckte er beide Hände behutsam in das Regal aus. Vorsichtig zog er ein Kästchen hervor, dessen Seiten mit kunstvollen, aber völlig verstaubten Schnitzereien verziert waren. Rider zögerte einen Moment, holte tief Luft, bevor er den Deckel des Kästchens einen Spalt anhob. Er warf einen prüfenden Blick ins Innere.

„Da ist er“, flüsterte er. Seine Zähne blitzten in der Dunkelheit auf, als er triumphierend grinste. Brutus und Jack drängten sich ein Stückchen weiter in den Raum, begierig darauf herauszufinden, was sich in dem geheimnisvollen Kästchen befand. Doch Rider ließ den Deckel wieder fallen. Ein dumpfes Geräusch ertönte, als sich das Kästchen wieder schloss. Rider warf seinen beiden Handlanger einen strengen Blick zu.

„Wir sind hier fertig. Sehen wir zu, dass wir verschwinden!“

Brutus und Jack tauschten einen fragenden Blick, doch da schritt Rider schon zwischen ihnen hindurch. Geradeaus marschierte er auf die Kellertreppe zu. Sein Mantel bauschte sich wieder hinter ihm auf.

„Wird’s bald?“, herrschte Rider Jack und Brutus an, als diese sich nicht rührten. Schließlich schauten die beiden ein letztes Mal gierig auf die Juwelen und anderen Kostbarkeiten in dem Tresor. Im Anschluss folgten sie ihrem Anführer. Brutus schnaubte mürrisch. Nur Augenblicke später verschwanden die drei durch die große Eingangstür der Villa und ließen das Anwesen in der Stille der Nacht hinter sich.